• Die Praxis

Die Einladung

Traditionell fordert der (führende) Mann die (folgende) Frau zum Tanz auf. Dies ist in gewisser Weise dadurch begründet, dass der Mann beim Tanz führt. Es ist etwas unangenehm für eine Frau, jemanden aufzufordern sie zu führen. Aus der Sicht der traditionellen Männer- und Frauenrollen macht es auch durchaus Sinn – es ist für einen Mann viel akzeptabler als für eine Frau, wenn er es versucht und abgewiesen wird. Aber aus der modernen Perspektive erscheint der Brauch ungerecht. Deshalb hat man in Argentinien eine Methode entwickelt, mit dem Blick einzuladen. Zuerst wird Blickkontakt hergestellt. Wenn keine der beiden Personen wegschaut, zeigen die Führenden ein fragendes Nicken, das wie eine diskrete Einladung wirkt. Die Folgenden nicken bejahend, und erst danach gehen die Führenden zu ihnen hinüber und begleiten sie auf die Tanzfläche. Das erspart nicht nur beiden Personen eine potenziell peinliche Zurückweisung vor aller Augen, es erlaubt nicht nur, auf möglichst diskrete Weise „nein“ zu sagen – einfach durch Wegschauen -, sondern lässt auch die Folgenden im Wesentlichen einladen, denn sie sind genauso frei, Blickkontakt zu initiieren wie die Führenden.

Es gibt nur ein paar Schwierigkeiten bei dieser Art der Einladung. Die eine ist, dass sich alle dessen bewusst sein müssen, sonst können die Blicke und das Nicken leicht falsch gedeutet werden. Die andere ist, dass der Raum genau richtig eingerichtet sein muss. Entweder muss er so klein sein, dass die Leute über die Tanzfläche hinweg Blickkontakt aufnehmen können, oder er muss irgendwie gemütlich sein, damit die Leute sich darin bewegen können. Im Großen und Ganzen trägt die Einladung mit den Blicken aber sehr zum reibungslosen Ablauf einer Milonga bei, und vor allem zu einer gleichmäßigeren Wahlfreiheit für Führende und Folgende.